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  1. From »Dan« (2022). A short prose piece written in German. It was first published in the magazine »erostepost. Zeitschrift für Literatur«.






























    [...] Dann gehe ich leise aus dem Zimmer, die Treppen hinunter, durch die Terrassentür, hinaus in den Garten. Ich weiß, dass du diesen Garten magst. Es gibt Brombeeren und Stachelbeeren, Brennnesseln für Tee und Umschläge, einen Zwetschgenbaum und wilden Wein. Am liebsten magst du, wenn die Apfelbäume weiß-rosa blühen. Dann gehst du barfuß umher, um den frisch gemähte Rasen zu spüren, deine Hose ist umgekrempelt, dein weißes Oberteil fällt locker, dann ziehst du den untersten Ast zu dir heran, den du gerade so erreichen kannst, und brichst eine Blüte ab und behältst sie für eine Weile in der Hand, bevor du sie behutsam auf den Boden setzt. Wenn du nicht allein im Garten bist, dann schenkst du sie her, die Blüte, dann legst du sie in andere Hände, schmückst Frisuren oder Kleidungsstücke, bis es Blütenfrisuren und Blütenkleidungsstücke sind. Ich lockere meine Schnürsenkel, ziehe meine Schuhe aus, die Socken, schlage die Hosenbeine mehrmals um und tauche vorsichtig in das Grün vor mir ein. Fuß um Fuß zum Apfelbaum, zu diesem alten Apfelbaum, am Boden liegt die Blüte, die du zuletzt gepflückt hast. Ich hebe sie vorsichtig auf, bilde mit meinen Händen eine schützende Höhle. Dann gehe ich rückwärts zur Tür, zur Treppe, ins Zimmer. Dann setze ich mich neben dich und nehme deine freie Hand und lege die unversehrte weiß-rosa Blüte hinein, die du vorsichtig umschließt. Und langsam bewegst du dich, bringst die Hand mit der Blüte auf deiner Brust zum Ruhen. [...]